• Europas größte Fahrradauswahl
    Editorial

    Copenhagenizing: Paris

    Sophia Willmes
    Sophia Willmes
    28. Juni 2023 4 Min.
    Copenhagenizing: Paris

    Wie fahrradfreundlich ist die französische Metropole wirklich?

    buycycle WatchBlog: In dieser neuen Reihe werfen wir alle paar Monate einen Blick auf Entwicklungen in der Fahrradindustrie und der Cycling Culture: Von Spinning bis Copenhagenizing – wir stellen euch alle Trends und Innovationen vor. Heute: Paris will die Fahrradstadt der Zukunft werden. Wie genau das passieren soll und wo die Stadt heute steht, erfahrt ihr in diesem WatchBlog.

    Paris ist die Stadt der Liebe, die Stadt der Lichter... und wenn es nach der Bürgermeisterin Anne Hidalgo geht, soll die französische Hauptstadt allerspätestens 2026 auch noch die Stadt des Fahrrads sein.

    1. Von Asphalthölle zur grünen Fahrradstadt

    Für alle, die in Paris schonmal mutig genug waren, um sich mit dem Fahrrad von A nach B zu kämpfen, hört sich das vielleicht erstmal nach einem schlechten Witz an. Paris, das war lange Zeit die Asphalthölle für schutzlosere Verkehrsteilnehmer:innen, wer mit dem Bike unterwegs war, musste sich mit den "Todesspuren" der Busse zufrieden geben und aufs Beste hoffen.

    Doch es hat sich viel getan in den letzten Jahren und Paris entwickelt sich langsam aber sicher zu einem pulsierenden Herz der Fahrradkultur. Nicht nur wegen des alljährlichen Tour de France Finales auf den Champs-Elysees. Die übrigens im Rahmen des Programms "Paris Respire" (Paris atmet), gemeinsam mit dem Canal St. Martin und ein paar anderen Hauptverkehrsadern an Feiertagen und am ersten Sonntag im Monat zur autofreien Zone werden.

    2. Erste Fortschritte

    Die Pariser Politik hat richtig in die Pedale getreten: Fast überall in der Stadt gilt Tempo 30 für Autofahrer:innen, das rechte Seine-Ufer ist seit 2017 komplett für den Autoverkehr gesperrt und gehört seither den Spazierenden, Schlendernden und Radelnden. Vor allem aus der Zeit der Pandemie hat die Stadt viel gelernt: Auf der Rue Rivoli, die durch wichtige Teile des Zentrums führt, wurden zwei Drittel der Spuren ausschließlich Fahrradfahrer:innen gewidmet. Eine anfangs temporäre Maßnahme gegen Smog in der verkehrsberuhigten Stadt während der Lockdown Phasen, die schließlich beibehalten wurde.

    Doch da hört es noch nicht auf... In den letzten Jahren sind über 1000 km Radwege in der Stadt entstanden, meist durch Asphaltschwellen oder (zugegebenermaßen ziemlich hässliche) gelbe Poller von Autospuren getrennt und das Bikesharing-Netzwerk Vélib hat das Stadtbild vollends durchzogen. An über 1.800 Stationen, die durchschnittlich nur 300m voneinander entfernt sind, können die Pariser:innen jederzeit Fahrräder ausleihen und zurückgeben. Sowohl normale, als auch E-Bikes stehen zur Auswahl. Besonders genial an Vélib ist aber, dass das Abonnoment a.) nur wenige Euro im Monat kostet und b.) auf die Pariser Metrokarte geladen werden kann.

    Dank Vélib erschließt sich einem so der komplette Nahverkehr der Stadt mit nur einer Karte und sämtliche Wege können mit Bus, Bahn und Bike schnell und simpel zurückgelegt werden.

    Dass das funktioniert, sieht man sofort. Überall rasen die grünen und blauen Bikes der Flotte durch die Gegend und auch wenn sie zugegebenermaßen nicht immer perfekt gewartet werden und der Motor an den E-Bikes etwas schleppend ist, so sind sie doch zu einem unfassbar unkomplizierten und natürlichen Verkehrsmittel für die Pariser:innen geworden.

    Doch auch wer lieber ein eigenes Fahrrad fahren möchte, wird aktiv zum radeln ermuntert: Die Stadt gewährt beim Kauf eines klassischen Bikes bis zu 100 Euro Zuschuss, bei E-Bikes sind es sogar zwischen 500 und 600 Euro. Und Arbeitgeber:innen übernehmen die Kosten sogar häufig komplett.

    3. Paris fährt Fahrrad

    Und wie. Nach dem ersten Lockdown war die Zahl der Radfahrer:innen im Vergleich zu 2019 um 67 % gestiegen, im darauffolgenden Jahr stieg diese Zahl nochmals um 78 %. Paris ist außerdem laut Daten von Strava zur Hauptstadt des "vélotaf" geworden: Nirgendwo sonst in Frankreich werden Wege zur und von der Arbeit so oft mit dem Bike zurückgelegt. Nicht umsonst ist das Fahrrad mittlerweile das meistverkaufte Verkehrsmittel der Nation geworden. Mit 43 % führt es die Liste lange vor Elektro-Rollern (26,5 %) und Autos (26 %) an.

    Paris ist weltweit die Stadt, in der Fahrradmobilität in den letzten Jahren am stärksten angestiegen ist.

    Also ja, die Pariser:innen radeln, aber trotz wachsender Infrastrukturen, die extra auf sie zugeschnitten werden, häufen sich die Unfälle. Das liegt aber nicht nur an der steigenden Zahl der Fahrradfahrer:innen, sondern vor allem an deren Fahrverhalten.

    Auch, wenn radeln einfacher und attraktiver geworden ist - ein Test für die Nerven ist es immer noch.

    Denn die Pariser:innen halten wenig vom "code de la route", der Straßenverkehrsordnung. In atemberaubendem Tempo schlängeln sie sich in Massen an Fußgänger:innen und zwischen im Stau stehenden Autos vorbei, rasen über jede rote Ampel, Zebrastreifen sind für sie Deko. Die Stadt versucht also immer härter durchzugreifen, vermehrt Verkehrskontrollen und hat seit einigen Jahren auch die Nutzung von Kopfhörern auf dem Bike verboten, um die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr zu erhöhen.

    4. Le Plan Vélo: Bis 2026 zu 100% eine Fahrradstadt

    Anne Hidalgo ist weiterhin ehrgeizig in ihrer Mission, aus Paris eine grüne Stadt der Zukunft zu machen. Bis zu den olympischen Spielen im Sommer 2024 soll die Stadt weitere 55 km Radwege bekommen, alle olympischen Stätten sollen durch sie miteinander verbunden werden. Die Vélib-Flotte soll um 3000 Bikes aufgestockt und die autofreien Zonen ausgeweitet werden. Für den "plan vélo 2021-2026" nimmt die Stadt 250 Millionen Euro in die Hand, um bis 2026 zu 100% fahrradfreundlich zu werden.

    Ein ambitioniertes Unterfangen und ein teures noch dazu, doch die bisherigen Bemühungen tragen bereits jetzt ordentliche Früchte.

    Kopenhagen ist immer noch die fahrradfreundlichste Stadt der Welt. Doch Paris zeigt innovative und mutige Lösungen und Transformationsmöglichkeiten für eines der weltweit größten und verkehrsbelasteten Ballungszentren und kann somit vielen anderen Städten zum wichtigen Vorbild werden.

    Egal, ob ihr gerade in Kopenhagen, Freiburg, Paris oder in einer nicht ganz so fahrradfreundlichen Stadt seid: Nehmt diesen Artikel als Anstoß, euch in den Sattel zu schwingen - denn eine Stadt wird nur dann eine Fahrradstadt, wenn auch wir sie dazu machen. Also ab aufs Bike und wenn ihr noch ein passendes für euch sucht, dann schaut doch bei buycycle vorbei. Bei Fragen zur Pariser Bikepolitik oder zum Thema Fahrrad generell findet ihr Hilfe auf unserem Blog oder ihr wendet euch an unseren Support. Bis dahin wünschen wir euch: Happy browsing, happy cycling!