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    Editorial

    Wie bewältigt man den Ötztaler Radmarathon?

    Sophia Willmes
    Sophia Willmes
    20. Juli 2023 7 Min.
    Wie bewältigt man den Ötztaler Radmarathon?

    Vincent von buycycle verrät's im Interview

    Ein Sorry vorweg an alle passionierten Gravel und Mountainbiker:innen auf unserem Blog... Nach Tour de France Review und Tipps fürs erste Radrennen geht es heute noch ein letztes Mal um den Rennradsport. Genauer gesagt um den weltberühmten Ötztaler Radmarathon, den unser teameigener Business Developer, Bikenerd und Vorzeigeathlet Vincent vergangene Woche bewältigt hat. Was der famose "Ötzi" überhaupt ist, wie Vincent sich darauf vorbereitet und wie er ihn bestritten hat, erfahrt ihr in diesem Blogpost.

    🚵🏽
    Ötztaler Radmarathon Faktencheck
    Was? Weltweit bekannter und als extrem schwierig geltender Amateurradmarathon
    Wo? Strecke über 4 Alpenpässe, insgesamt 220 km Länge und 5500 Höhenmeter
    Wer? 4.000 via Losverfahren gewählte Amateurradfahrer:innen, die in exzellenter physischer und mentaler Verfassung sein müssen
    Wann? Anfang Juli
    Wie lang? Durschnittlich Rennzeiten von zwischen sieben und 14 Stunden

    Vincent x Ötzi‌‌: Interview

    Sophia: Vincent! Dass du erfahrener Radfahrer bist, wusste ich. Aber war der Ötzi dein erstes richtiges Rennen?‌‌‌‌
    Vincent: Nein, es war nicht mein erstes Rennen. Ich bin davor schon andere Radmarathons in Österreich gefahren und auch andere kleine Rennen in Deutschland. Aber das war jetzt mein gefühlt längstes und härtestes Rennen soweit.

    Woher kam das Bedürfnis, diesen besonderen Radmarathon zu machen?
    Das kam ein bisschen durch meinen Freundes- und Bekanntenkreis, weil da halt super viele dran teilgenommen haben. Und der Ötzi hat natürlich auch einen bestimmten Ruf in ganz Europa als eines der härtesten Radevents, den kennt man dann einfach, sobald man sich ein bisschen in dieser Bubble bewegt.

    "Eines der härtesten Radevents..." Wie hast du dich darauf vorbereitet? Sowohl körperlich als auch mental?‌‌‌‌
    Ich habe weit im Vorhinein angefangen zu trainieren, circa fünf Monate vorher, auch weil dein Körper einfach allein an die Dauer dieses Wettkampfes angepasst sein muss. Ich fahre ja schon ein paar Jahre Rad. Auch wenn es nicht immer Rennen waren, so habe ich immerhin eine gute Grundkondition und Ausdauer auf dem Sportrad.

    Was war denn deine Zeit schlußendlich?
    ‌‌Ich bin 7:56 gefahren.

    Das ist ziemlich gut oder? Der Gewinner war doch nur eine knappe Stunde schneller.‌‌
    Jein. Eine Stunde ist bei solchen Rennen schon ordentlich und die ersten paar, die über die Ziellinie fahren, fahren auf jedem Fall auf professionellem Niveau. Ich war 122. von 4.000, also war das trotzdem ein gutes Ergebnis mit dem ich sehr happy bin.

    122. von 4.000 ist saustark. Schon mal Glückwunsch an dieser Stelle! Wie läuft das denn mental ab? Immerhin bist du sieben Stunden hart am körperlichen Anschlag, wie packt man das psychisch?‌‌
    Es ist schon recht hart, wie du sagst. Was das Ganze ein bisschen besser macht ist das Fahren in der Mitte der Strecke beim Brenner, wo du mal nicht auf dich alleine gestellt bist. Hier kannst du dann ein bisschen von Windschatten profitieren, mit Leuten ratschen. Immerhin bin ich mit zwei Kumpeln in derselben Gruppe gefahren. Das lenkt dich ab und dann geht das schon.

    Es ist also eine Mischung aus Ausdauer und dem Wissen, dass man sich zwischendurch doch mal kurz ausruhen kann?‌‌
    Ja, absolut. Und in so einer Ausruh-Phase muss man auf jeden Fall viel essen, die Muskulatur mal ein bisschen auflockern, vielleicht mal in den Wiegetritt gehen oder sogar ein paar Stretches reinwerfen, bevor es nach dem Brenner an die letzten beiden Anstiege geht. Da geht's dann nämlich wieder nur darum: Wieviel Watt fährst du?

    Du hast eben schon die 4.000 anderen Teilnehmer:innen erwähnt... Wie ist es, in so einer riesigen Gruppe zu starten?‌‌
    Ich war auf jeden Fall richtig nervös und ich kannte das ja schon von anderen Rennen mit Massenstarts, dass es vor allem in der Anfangsphase relativ hektisch ist. Alle wollen nach vorne, alle kämpfen um ihre Position und bei Amateurrennen ist das dann nochmal gefährlicher und das Risiko für Stürze höher. Ein bisschen Angst hatte ich dann schon, vor allem wenn man weiß, dass man bei den ersten Abfahrten mit 50 km/h in einer Gruppe von mehreren hundert Leuten fahren wird... Es war aber dann doch anders als befürchtet und ich hatte das Glück mit meinen Kollegen relativ weit vorne starten zu können, weil wir schon so früh am Start waren. So konnten wir da easy runterdüsen...

    Apropos Schiss... Der Ötzi ist nicht arm an Gefahrenstellen - Wie geht man mit solchen Risikosituationen um und was spielt Angst dabei für eine Rolle?‌‌
    Das konstante Risiko ist definitiv ein riesiger Punkt, der alle beschäftigt und man sieht dann auch ganz unterschiedliche Arten, damit umzugehen. Eigentlich läuft es auf zwei Strategien hinaus: Es gibt die, die in den Abfahrten sehr vorsichtig werden und auf gar keinen Fall etwas riskieren wollen. Die werden dann auch lieber von allen anderen überholt, als ein Risiko einzugehen. Auf der anderen Seite fahren manche selbstbewusster und auch um einiges schneller solche Strecken ab.

    Warst du Team vorsichtig oder Team "Ich bin ein technisch versierter Fahrer, weiß, was ich hier tue und gehe aufs Ganze"?‌‌
    Wahrscheinlich eher das zweite hahahah. Aber dadurch, dass ich glücklicherweise immer in ziemlich kleinen Gruppen mit wenig Leuten um mich herum abgefahren bin, habe ich auch einen besseren Eindruck dafür bekommen können, wie das andere gerade meistern und hatte nie das Gefühl, dass wir uns hier gegenseitig gefährden. So konnten wir alle relativ zügig abfahren ohne ein großes Risiko einzugehen. Natürlich ist man dann trotzdem extrem schnell, aber die Straße ist auch abgesperrt und man kann also technisch sauber und mit hohem Speed abfahren.

    Wo hast du am meisten gelitten?‌‌
    Lustigerweise genau an dem Anstieg, von dem ich eigentlich immer dachte, dass es der einfachste wäre, der Jaufenpass, der dritte von vier Anstiegen. Den bin ich schonmal gut gefahren davor und das lief super, im Rennen kam es dann aber komplett anders. Es war richtig heiß und ich konnte mein vorhergesehenes Tempo wirklich nur 30% der Strecke hochhalten. Danach ging's auch richtig zäh und ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob ich das Ganze überhaupt noch fahren will und ob ich nicht meine Erwartungen total runterschrauben muss.

    Zum Glück ging's am letzten Anstieg aber dann wieder relativ gut, da haben einen freiwillige Helfer mit Wasserschläuchen abgespritzt und abgekühlt, da ging ein leichter Wind und das hat unheimlich gut getan. Da hatte ich dann aber Krämpfe, da muss man dann einfach über den Schmerz rüberfahren. Gleichzeitig hat mich dieses neue Problem aber auch von der krassen Hitze und der allgemeinen Überanstrengung abgelenkt... und ich habe ein bisschen hochgerechnet und bin darauf gekommen, dass wenn ich mich noch ein bisschen anstrenge, ich unter den acht Stunden bleiben kann. Dann ist ein Switch umgelegt und ich war wieder full focus im Kopf, bin sogar noch mehr Leistung gefahren als davor. Proud moment also, dass ich da nicht gecrackt bin.

    Zurecht! Aber du sagtest du hast rumgerechnet, hattest deine Wunsch-Leistung... Plant man so ein Rennen auch, indem man sich die Strecken einteilt und weiß, in Abschnitt xy möchte ich so schnell sein und soviel Leistung fahren? Quasi eine individuelle Rennprognose, an die man sich hält?‌‌
    Es gibt super viele Pacerechner online, auch für den Ötzi. Da gibst du deine bisherigen Leistungsdaten ein und die berechnen dir, wie schnell du in welchen Abschnitten sein könntest. Das hab ich auch gemacht, hab mir das angesehen und auch während des Rennens im Hinterkopf gehabt. Aber ganz ehrlich, die meiste Zeit über bin ich nach subjektivem Empfinden gefahren: Wie fühle ich mich gerade, wie lange geht der Anstieg noch, wie hart kann ich gehen... und bin dann danach gefahren. Hat auch gut funktioniert, auch wenn ich den ersten Anstieg wahrscheinlich viel zu schnell gemacht habe.

    Schluß mit Leid, wo war die Euphorie am größten?‌‌‌‌
    Natürlich im Ziel, da bin ich um die Kurve gekommen, hab die Uhr gesehen und gesehen, dass ich noch unter acht Stunden bin. Der andere Moment war der erste Anstieg am Gipfel. Da waren so viele Zuschauer, die auf die Straße gekommen sind und ihre Familie oder Freunde angefeuert haben, die hatten Kuhglocken dabei und da kam richtig Tour-de-France-Stimmung auf!

    Hast du ein Ötzi-Fazit?
    Ich bin mega happy mit meiner Leistung und würde rückblickend sagen, dass das eine der coolsten Sachen war, die ich je gemacht habe.

    Hast du Tipps an alle jene, die das nach dir wagen wollen? Einen Rat an deine Rad-Community?
    Nichts kurz davor ausprobieren, was man noch nie gemacht hat. Keine Experimente. Ich hab den Fehler auch schon gemacht, dass man sich vor dem Rennen überlegt, was man jetzt noch zur Vorbereitung tun könnte, dass man dann im Internet sucht und natürlich auch fündig wird. Dann fangen Leute beispielsweise an sich zu stretchen, weil sie denken, dass der morgige Tag so hart wird, haben das aber sonst nie gemacht vor Trainings. Das geht dann auch meistens in die Hose.

    In der Trainingsphase kann und sollte man alles einmal ausprobieren, auch was Ernährung angeht. Aber am Tag davor das Rad nicht neu erfinden.

    Letzte Frage für die Bikenerds: Auf was für einem Fahrrad hast du diesen Radmarathon bewältigt?
    Auf einem Specialized Tarmac SL7.

    Super. Danke dir für deine Zeit und viel Erfolg bei deinen nächsten Rennen!

    Logisch, dass wir super stolz auf Vincent und seine grandiose Leistung bei diesem harten Rennen sind. Noch logischer auch, dass wir ein bisschen damit angeben wollten, was für krasse Radler in unserer Bike-Firma arbeiten. An unsere Rennradfahrer:innen auf dem Blog: Hoffentlich packt euch das Rennfieber spätestens nach diesem Interview nochmal neu und ihr seid schon dabei, eure Klickschuhe anzuziehen und euer Bike rauszuholen. Vincent's Modell findet ihr gemeinsam mit tausenden anderen gebrauchten High-End Sporträdern auf buycycle.com, stöbern lohnt sich also immer. Und an die Gravel- und Mountainbiker:innen hier. Hang in there. Als Nächstes gibt's wieder was für euch. Bis dahin wünschen wir euch allen: Happy browsing, happy cycling!